Ronnie Wood ist 73 Jahre alt. Seit mehr als 55 Jahren ist er Musiker in verschiedenen legendären Bands.
Seit 45 Jahren ist er Gitarrist der Rolling Stones. Und so ganz nebenbei ist er noch ein erfolgreicher Maler. Zeit für einen Film über diesen faszinierenden Menschen …
I wish that I knew what I know now when I was younger
Ronnie Wood malt. Mit über siebzig sieht noch immer aus, als würde er kaum jemals feste Nahrung zu sich nehmen. Im Interview erzählt er aber bald, die Zeiten von Nikotin, Alkohol, LSD, Heroin und allem was man als Rockstar im Lauf der Jahrzehnte nur nehmen konnte, wären längst vorbei. Wenn Wood über seinen Vater erzählt, der ein schwerer Trinker war, oder darüber wie man ihm einen Lungenflügel entfernt hat, hören wir einen Mann erzählen, der allem etwas Positives abgewinnen kann.
Ronnie Wood meint, sein Lebensstil hätte ihm niemals Schwierigkeiten bereitet. Er will diesen Lebensstil niemanden empfehlen, das macht er unmissverständlich klar. Aber er bereut nichts und würde alles wieder genauso machen. Und die Einstellung dieses fröhlichen älteren Herren, diese freundliche, gelassene Zufriedenheit bestimmt auch den Rhythmus dieses Films.
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Natürlich werden Drogen erwähnt. Aber wer Erzählungen oder gar Bilder von Exzessen erwartet, wird enttäuscht werden. Natürlich werden aggressive Manager, Rausschmisse und Austritte aus Bands oder sogar deren Auflösung erwähnt. Aber in diesem Film geht es nicht um Skandale und schmutzige Wäsche.
Das Thema dieses Films ist Musik. Es geht immer um Musik und diese interessanten, verrückten Menschen, die seit Jahrzehnten Musik machen weil sie nie etwas anderes machen wollten. Und so wird auch die „Rivalität“ zwischen den beiden Stones-Gitarristen Keith Richards und Ronnie Wood nicht reißerisch aufbereitet. Nein, hier erzählen zwei große Musiker, die beide in der Musik wie im Leben ihren ganz eigenen Stil haben, darüber was für die Musik wichtig ist.
Stay with me
Dabei ist der Film keineswegs nur für Fans der Rolling Stones geeignet. Und auch Kinofans die nicht genau wissen, warum es nach der Auflösung der Band „The Small Faces“ plötzliche eine Band namens „The Faces“ gab, werden schnell in den Bann dieser geschickt monierten Kombination aus kurzweiligen Erzählungen und großartiger Musik gezogen.
Regisseur Mike Figgis weiß genau, was er tut. Bereits in seinem ersten Spielfilm, dem großartigen Thriller „Stormy Monday“, hat die Musik die eigentliche Hauptrolle gespielt. Und selten wurde Sucht und das selbstzerstörerische Verhalten eines Süchtigen drastischer gezeigt als in Figgis‘ „Leaving Las Vegas“. In den letzten Zwanzig Jahren konnte Figgis sein Publikum nicht mehr wirklich erreichen. Das durchwachsene „Cold Creek Manor“ hat man vielleicht mal im Fernsehen gesehen. Und ob irgendjemand tatsächlich Geld bezahlt hat, um „Gefährliche Begierde“ zu sehen, wage ich zu bezweifeln.
So ist es schön zu sehen, wie Figgis hier ein wunderbar ausgewogener, leicht zugänglicher Dokumentarfilm gelungen ist. Natürlich sieht man Stars von damals als Interviewpartner. Die Interviews mit Weggefährten wie Mick Jagger, Keith Richards, Rod Stewart oder auch Ehefrau Sally Wood sind informativ und unterhaltsam, nehmen aber nie zu viel Raum ein. In diesem Film geht es um Ronnie Wood und seine Musik.
When the whip comes down
Und Musik bekommen wir zu hören und zu sehen. Teilweise hören und sehen wir Wood auf eigens für diesen Film entstandenen Aufnahmen ganz allein mit seiner Gitarre. An anderen Stellen sehen wir hervorragend ausgewählte Archivaufnahmen. Vor wenigen Monaten waren in Stanley Nelsons „Miles Davis: Birth of the Cool“ immer nur kurze Schnipsel Musik zu hören. Regisseur Figgis geht einen anderen, angenehmeren Weg. Er lässt uns einige wenige Songs hören und sehen, diese dafür aber meistens in fast voller Länge. So bekommen auch Filmfans die nicht mit Woods Werk vertraut sind, ein Gefühl für die Hauptsache in diesem Film und in Woods Leben.
Nach knapp anderthalb Stunden, die einem viel kürzer vorkommen, ist der Film dann auch schon wieder vorbei. Gerne hätten wir diesem faszinierenden älteren Herrn noch weiter zugehört. Hätten ihm gerne noch zugehört, wie er altersweise und doch immer jugendlich wirkend von seinem Leben erzählt. Wenn Wood meint, er sei geistig nie über sein Neunundzwanzigstes Lebensjahr hinaus gekommen, glauben wir ihm aufs Wort.
Fazit
Ein Film nicht nur für Fans der Rolling Stones. Ein Film für jeden der etwas über Musik und das Leben lernen möchte.
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