Manchmal hat man das Gefühl, dass Constantin keinen Bestseller auslassen kann.
Wenn ein Buch in Deutschland – oder auch international – richtig Umsatz macht, dann ist die Münchner Firma an einer Verfilmung interessiert. Das mag bei Romanen noch ein Leichtes sein, aber wie setzt man ein Buch um, das sich mit dem Wald befasst und teilweise auch seitenweise über die unterschiedlichen Wurzelsysteme referiert? Als Dokumentation natürlich. Und selbst da stellt man sich großen Herausforderungen.
Mehr als nur der Wald
Regisseur Jörg Adolph stand also vor der Herausforderung, aus einem Buch, das eigentlich nicht verfilmbar ist, doch einen Film zu machen. Der Ansatz, der gewählt wurde, ist der einer Dokumentation, aber einer, die sich eben nicht nur mit dem Wald und den Bäumen an sich, sondern auch mit dem Forstingenieur Peter Wohlleben befasst.
Wohlleben hat im Jahr 2015 sein Buch „Das geheime Leben der Bäume“ publiziert, das sich sofort auf der Bestsellerliste wiederfand und von dem insgesamt mehr als eine Million Exemplare verkauft wurden. Für ein Sachbuch ist das ganz besonders beeindruckend, selbst ein Film würde damit schon sehr gut laufen. Ob die Dokumentation diese Art von Zuschauerzahl erringen kann? Das wird sich zeigen, denn immerhin kann man mit schönen Bildern aufwarten. Der Wald ist fotogen, er bietet sich für atemberaubende Aufnahmen an. Aber er ist auch sehr statisch.
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Der Wald allein hätte für eine Dokumentation, noch dazu eine, die im Kino auch Zuschauer ziehen soll, wohl nicht gereicht, weswegen Adolph aus seinem Film auch so etwas wie die Biographie von Peter Wohlleben macht.
Ein Film über einen Menschen
Man merkt Peter Wohlleben schon an, dass ihm die Natur, vor allem aber auch der Wald, besonders am Herzen liegen. Er ist ein unprätentiöser, sympathischer Kerl, der mit seiner Meinung auch anecken kann, der aber immer dahintersteht. Der Film zeigt ihn im Wald, wie er Kinder oder auch ausländische Besucher hindurchführt. Er zeigt ihn aber auch bei Talkshow-Auftritten und als Mann, der seine unerwartete Popularität nutzt, um Umwelt-Aktivismus etwas mehr Bedeutung zu verleihen.
Entsprechend sieht man ihn auch auf Reisen. Wenn er in Polen eine Umweltgruppe unterstützt oder im kanadischen Vancouver ein Waldprojekt unterstützt.
Tolle Bilder
Die andere Seite dieser Dokumentation ist der Wald selbst, der von Kameramann Jan Haft in spektakulären Bildern eingefangen wird – etwa dann, wenn in Zeitraffer gezeigt wird, wie sich Bäume und der Wald entwickeln. Unterlegt ist das dann mit Passagen aus Wohllebens Buch, die für sich gesehen ansonsten etwas trocken wären, mit dem visuellen Kontext dann aber doch deutlich interessanter ausfallen.
DAS GEHEIME LEBEN DER BÄUME ist ein ungewöhnlicher Film, weil er versucht, verschiedenen Herren zu dienen. Einerseits will er in der Darstellung seiner Bilder spektakulär sein, andererseits versteht er sich als Porträt – und dann garniert er das alles auch noch mit einer politischen Botschaft, die heute auf sicherlich weit fruchtbareren Boden fällt, als das vor ein paar Jahren noch der Fall gewesen wäre.
Fazit
DAS GEHEIME LEBEN DER BÄUME ist ein ungewöhnlicher, aber sehenswerter Film, der den Spagat schafft, verschiedene Elemente – Biographie und Umsetzung eines Sachbuchs – sehr schön zu kombinieren. Zwar hätte dabei ein wenig mehr Tiefgang sein können, der Film bietet aber reichlich Information und gibt genügend Stoff zum Nachdenken. Am meisten brilliert er aber wohl dadurch, dass er Lust darauf macht, selbst mal wieder einen Waldspaziergang zu machen.
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