Zwei Brüder aus der bayrischen Provinz suchen auf ihren historischen Mopeds die Freiheit.
Und wo anders sollte man die Freiheit suchen, als in den USA?
A boarische Roadmuvie-Doku
Julian und Thomas Wittmann wollen raus aus dem Alltag der bayrischen Provinz. Mit zwei betagten Zündapp-Mopeds rollen sie erst quer durch Deutschland und die Niederlande nach Antwerpen. Dort werden die Burschen und die Mopeds auf ein Containerschiff nach New York verladen. Und von dort soll der Weg dann quer durch die USA bis nach Las Vegas gehen. Immer mit einer Höchstgeschwindigkeit von 40 km/h …
Die beiden Nachwuchsfilmemacher haben sich für ihren ersten Film viel vorgenommen. Vielleicht a weng oarg vui. Denn ihr Film weiß nie recht, was er denn sein will. Spielfilm? Dokumentation? Mockumentary? Oder doch Heimatfilm?
Ein Spielfilm sollte ein bisschen mehr an Handlung zu bieten haben. Zwei Brüder auf ihren Mopeds sind noch keine Story. Wir erfahren nie, warum sie weg wollten. Der Film bietet keinen Spannungsboden, keinen Konflikt, … nichts, was einen Spielfilm ausmachen würde. Ein Streitgespräch während der Rahmenhandlung zwischen der Wirtin des heimatlichen Wirtshauses und ihrer Tochter kommt aus heiterem Himmel, ist schnell wieder vorbei, führt nirgendwohin und wirkt wie eine Szene aus einem ganz anderen Film.
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Bei einer Dokumentation sollte nicht so vieles offensichtlich gespielt und inszeniert wirken. Sollen wir wirklich glauben, die beiden jungen Männer hätten die Abschnitte ihrer Reise nie auf Google Maps geplant? Der Umweg über Washington D.C. und Nashville war also ein glücklicher Zufall? Und was sollen wir vom Verlust des Mopedanhängers halten, wenn die beiden Reisenden doch offensichtlich von einem bestens ausgerüsteten Filmteam in mindestens einem, vermutlich eher zwei geräumigen Fahrzeugen begleitet wurden?
Eine Mockumentary wiederum sollte sehr viel unterhaltsamer sein. Zwei der besten Mockumentarys der jüngeren Filmgeschichte zeigen Reisen durch die USA. „Borat: Cultural Learnings of America for Make Benefit Glorious Nation of Kazakhstan“ und „Brüno“ waren aus vielen Gründen großartig. Einen Großteil des Erfolgs machte sicher die hervorragende Recherche des Produktionsteams aus. Der Stab von Sacha Baron Cohen hat echte Freaks an schrägen Orten gesucht und sich nicht mit den für die USA üblichen Figuren und Situationen zufrieden gegeben die man in jedem Reisebericht findet.
Die Typen, denen Julian und Thomas auf ihrer Reise begegnen, sind allesamt Klischees. Und leider keine Guten. Der deutsche Auswanderer, der sich nach vielen Jahren immer noch nicht richtig wohl fühlt, … der ehemalige Soldat, der die Burschen auf den Schießstand mitnimmt, … das vorbestrafte Mitglied der „Hells Angels“, … diese und ähnliche Typen hat man schon in Dutzender anderer Filme gesehen. Und fast jeder USA-Reisende hatte schon Begegnungen mit Menschen wie diesen.
Muaß ma des dann g’segn hobn?
Kein richtiger Spielfilm, keine Doku, keine Mockumentary, … Vielleicht ist „Ausgrissn“ doch vor allem ein Heimatfilm? Der deutsche Auswanderer hat Heimweh. Die Protagonisten vermissen ihre Couch. Bald erkennen sie, „wia sche de kloana Sochn dahoam sei kenna“ und stellen fest, „I hob’s ma aufregender vurgstellt“. Dazwischen hören wir, „Reisen kann auch davonlaufen heißen“. Am Ziel stellt sich die Frage „Muaß ma des dann g’segn hobn?“. Das sind nicht die Gedanken von Globetrottern. Die Heimat dieser jungen Männer ist nicht die ganze Welt, sondern der Winkel Bayerns in dem die Leute so reden wie sie. Und so wissen die beiden Protagonisten am Ende über ihre Heimat, „dass imma mit uns mitgfoarn is“.
Da machen also zwei Vertreter der Generation youtube ihren ersten Film. Und am Ende fühlt man sich an Fernweh-Abenteuer aus der Adenauer-Ära erinnert. Damals hat es die von O.W. Fischer oder Freddy Quinn verkörperten Helden auch immer in die Fremde gezogen. Dort trafen sie dann schräge Gestalten, wie den jungen Peter Vogel oder Boy Gobert. Und auch wenn Ihnen exotische Frauen wie Margit Saad oder Vittoria Prada nachliefen, so mussten die Helden am Ende immer feststellen, dass es daheim in den Armen der biederen Gritt Boettcher oder Marianne Koch doch am schönsten ist.
Der Look des Films ist dann wieder pures 21. Jahrhundert. Dokus ohne Drohnenflüge sind ja schon seit einer Weile praktisch gar nicht mehr denkbar. Der Film handelt zwar von zwei jungen Männern, die ohne Geld und fast ohne Ausrüstung spontan in die Fremde aufgebrochen sind, zeigt aber Bilder die noch vor wenigen Jahren nur Blockbustern vorbehalten waren. Dabei vergessen die jungen Männer ganz, wie sehr sie doch auf Tradition und Retro stehen. In über Neunzig Minuten sehen wir in diesem Roadmovie keine Kameraeinstellung aus der Sicht eines Mopedfahrers. Wir sehen die jungen Männer fahren, aber wir sehen nie was sie beim Fahren sehen.
„Ausgrissn“ verhält sich zum Genre des Roadmovies, wie „Krautwickl-Tango“ und die anderen Eberhofer-Filme zum Genre des Krimis. Oberflächlich gesehen könnten diese Filme zum jeweiligen Genre gehören. Aber bei näherer Betrachtung spielen diese Filme – im doppelten Sinne des Wortes – in einer anderen Welt. Die Eberhofer-Filme sind Krimis für Leute, die eigentlich keine Krimis mögen. Und „Ausgrissn“ ist ein Roadmovie für diejenigen, die es nicht in die weite Welt hinauszieht.
Fazit
Ein Mix aus Reisebericht und einem sehr langen youtube-Video. Am Ende hat man zwei sympathische junge Burschen gesehen, die eher die Liebe zur Heimat als die Freiheit gefunden haben. Zua dem Fülm brauchsd a Weißbier und a Weißwurscht, … wei’s wurscht is.
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