2020 ist in vielerlei Hinsicht ein merkwürdiges Jahr. Wer hätte zum Beispiel gedacht, ...
... daß einer der schönsten Liebesfilme dieses Kinojahres aus der Schweiz kommen würde? Und daß darin ein Hund die Hauptrolle spielen würde?
Hunde sind unsere Verbindung zum Paradies
Hundedokus sind seit einiger Zeit stark angesagt. Experten wie Cesar Milan oder Martin Rütter zeigen, wie dumm sich die meisten Hundebesitzer anstellen und wieviel sie als Experten doch von Hunden verstehen. Am Ende einer Folge ist der Besitzer dann unwesentlich schlauer und der Hund ein bißchen folgsamer und wir können uns zufrieden zurücklehnen. Martin Skalskys Film hat mit dieser Art von Dokumentationen nichts zu tun.
Martin Skalskys erster Film als Regisseur, Autor und Produzent ist mehr als eine Dokumentation über Hunde und Hundehaltung. „Cody“ ist ein philosophischer Film über elementare Fragen des Lebens. Wie behandelt eine empathische Spezies eine andere mindestens ebenso empathische Spezies richtig? Und was ist Liebe ohne Verantwortung und Respekt? Dieser Film lässt Experten zu Wort kommen, aber auch einfache Menschen deren Leben von Hunden geprägt wurde.
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Martin Skalsky selbst ist einer dieser Menschen. Der Komponist hat Filmmusik unter anderem für die „Lindenstraße“ geschrieben. Vor drei Jahren legte er sich seinen ersten Hund zu. Cody, ein Straßenhund aus Rumänien, sollte Skalskys Leben verändern. Codys neues Herrchen hat in ihm eine „alte Seele“ erkannt, die „wie traumatisiert aus einem Krieg“ kam. Die Suche nach Codys Vergangenheit, nach der Grundlage seines Wesens, führt Skalsky nach Rumänien.
Rumänien hat seit langer Zeit ein Problem mit seinen Straßenhunden. 2013 wurde ein Gesetz erlassen, dass die Tötung aller Hunde erlaubt, für die sich innerhalb von 14 Tagen kein Besitzer finden lässt. Die Bilder aus dem rumänischen Tierheim, für das „Vernichtungslager“ wohl die treffendere Bezeichnung wäre, sind nichts für schwache Nerven. Zum Glück gibt es Menschen wie Cristina Paun, die mit ihrer Organisation „Wonderland“ nicht nur Cody sondern Tausende weitere Hunde gerettet hat.
Es ist einer der ersten von vielen emotionalen Momenten des Films, wenn diese faszinierende, starke Frau Tränen in den Augen hat, als sie sieht, wie einer ihrer geretteten Hunde zwar ein angenehmes Leben bei einer liebevollen Besitzerin in England führen darf, dort aber infolge zu geringen Auslaufs übergewichtig und passiv geworden ist. Wenn Paun offen zugibt, die meisten Hunde wären auf der Straße glücklicher, regen diese Worte zum Nachdenken über die „Rettung“ dieser Hunde an.
Experten wie der britische Professor für Philosophie, Mark Rowlands, und die deutsche Hundetrainerin und Tieraktivistin Maike Maja Nowak stellen weitere unangenehme Fragen. Was geben Hunde auf, um ihre Besitzer glücklich zu machen? Und was darf der Hund im Gegenzug vom Menschen errwarten? Wie wertvoll ist eine Beziehung, wenn einem der Parnter nie die Wahl gelassen wurde, wenn einer der Partner sich nie für den anderen entscheiden konnte?
Es sollte nicht um uns gehen, es sollte um die Hunde gehen
Wenn Skalsky alles daran setzt, um Cody mit seiner Hundepartnerin aus seinem früheren Leben als Straßenhund zusammen zubringen, wird der Film von einer hervorragend gemachten Dokumentation zum berührendsten Liebesfilm des Jahres. Wir sehen hier einen Meschen, der sein Leben zusammen mit seinem Hund führt und nicht den Hund irgendwie in seinem Leben untergebracht hat. Diese Verantwortung und Zuneigung werden von Cody erwidert.
Wenn am Ende endlich ein Hund die Möglichkeit zu einer Entscheidung bekommt, spricht es für Skalskys Gespür als Filmemacher, wenn er die Bilder für sich sprechen lässt. Und es spricht für seinen Wert als Mensch, wenn wir sehen wie offensichtlich Codys Entscheidung ausfällt. Wer von diesen diesen letzten Szenen des Films nicht tief berührt wird, kann nicht nur noch nie einen Hund geliebt haben. Er kann noch nie irgendwas oder irgendjemand anderen als sich selbst geliebt haben.
Fazit
Ein Film nicht nur für Hundeliebhaber. Ein Film für alle Menschen, die gleichermaßen über Verstand und Herz verfügen. Ein Film über das wichtigste im Leben: über die Liebe.
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