Vor mehr als vierhundert Jahren kam es zu einem Kräftemessen zweier starker Frauen.
In der neuesten Verfilmung der Geschichte von Maria Stuart gewinnt am Ende natürlich die Königin von England. Aber auch im Kampf der Darstellerinnen triumphiert Margot Robbie über Saoirse Ronan.
Für Alles werde Alles frisch gewagt
Schottland 1561: Die junge Maria Stuart kehrt nach dem Tod ihres Mannes, des jungen französischen Königs Franz II., in ihre Heimat zurück. Die mächtigen Männer im Kronrat der protestantischen Königin von England, Elisabeth I., betrachten die katholische Königin von Schottland als Bedrohung. Elisabeth ist entschlossen alles zu tun, was dem Erhalt und dem Ausbau ihrer Macht dienlich ist. Und Maria Stuart hat nicht nur in England Feinde. Auch in ihrer Heimat Schottland regt sich bald Widerstand …
Wir alle kennen das Drama von Friedrich Schiller aus dem Schulunterricht. Donizetti schrieb eine Oper über die glücklose Königin. Der allererste Historienfilm der Filmgeschichte von 1895 zeigt bereits „The Execution of Mary Stuart“. Später wurde ihr Leben mit so unterschiedlichen Darstellerinnen wie Katherine Hepburn, Zarah Leander und Vanessa Redgrave verfilmt. Was also hat diese neue Filmversion der längst bekannten Geschichte zu bieten?
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Nun zunächst wirkt diese neue Verfilmung recht ansprechend gemacht. Regisseurin Josie Rourke hat bisher nur am Theater gearbeitet. Ihren ersten Spielfilm beginnt sie mit einigen eindrucksvollen Bildern. Eine im Wasser treibende Madonna ist ein visuell interessanter Kommentar zur Ankunft der Königin in ihrer Heimat. Aber schon in dieser Sequenz erkennen wir eines der Kernprobleme des Films. Die Regie zeigt uns gerne Bilder, die gut aussehen, über die man aber nicht allzu lange nachdenken darf, weil sie entweder historisch oder logisch keinen Sinn ergeben.
Sollen wir tatsächlich glauben, dass die Königin an einem Strand durchs Wasser waten musste, um schottischen Boden betreten zu können? Im Edinburgh des 16. Jahrhunderts gab es sicher sowas wie einen Hafen in dem Schiffe anlegen konnten. An einer anderen Stelle muss der Tross der Königin eine Reise nach England abbrechen und umkehren. Dazu werden die Pferde ausgespannt und die Kutsche von Hand gewendet, obwohl das Gelände es erlaubt hätte einfach einen Bogen zu fahren. Eine Szene, in der die von den Pocken entstellte Elisabeth hysterisch ihre Höflinge vor sich her scheucht, passt überhaupt nicht zu der Figur und ist so sicher nie geschehen. Später steht die englische Königin auf dem Dach ihrer Burg. Ein solches Schrägdach wurde aber höchstens von Dachdeckern und Schornsteinfegern betreten.
Auch der Look der Figuren wirkt nur, solange man ihn nicht kritisch hinterfragt. Die Handlung des Films erstreckt sich über einen Zeitraum von mehr als fünfundzwanzig Jahren. Und obwohl das Leben beider Hauptfiguren nicht einfach war, ist am Ende nur Elisabeth gealtert. War es die Absicht der Filmemacher, Maria Stuart mit achtzehn Jahren genauso aussehen zu lassen wie mit fünfundvierzig? Falls ja, was soll es uns sagen, wenn unter anderem 18 Jahre Haft keinerlei Spuren im Gesicht der schottischen Königin hinterlassen haben, während ihre Rivalin deutlich sichtbar alt geworden ist?
Auch das Makeup der Nebenfiguren wirkt teilweise verwirrend. Warum besetzt man David Tennant in einer Rolle, die ein reines Handlungselement ist und lässt ihn dann auch noch wie Rübezahl aussehen? Und wie wahrscheinlich ist es, dass Marias Halbbruder tatsächlich jahrelang mit „smokey eyes“ herumlief, die sogar Lady Gaga für überschminkt halten würde?
Was man nicht aufgibt, hat man nie verloren
Aber es ist immer wieder das Drehbuch von Beau Willimon („House of Cards“), das einen grübeln lässt. Natürlich ist es historisch nicht belegt, dass Elisabeth und Maria einander jemals persönlich begegnet sind.
Doch diese künstlerische Freiheit ist für den Film zulässig und verschaffst ihm gegen Ende einen dringend benötigten dramatischen Höhepunkt. Aber so wie die Regie uns Bilder zeigt, die nur schön aussehen, aber keinen Sinn ergeben, liefert uns das Drehbuch Szenen, die wohl originell wirken sollen, aber nicht schlüssig sind. Nachdem ihr späterer Ehemann Henry Stuart unangemeldet an ihrem Hof erscheint, folgt eine längere Szene in der er die Königin, die er bisher noch nie persönlich gesehen hat, in einer Gruppe von fünf Hofdamen erkennt.
Maria ist darüber so erstaunt, dass sie sich gleich verliebt. Dieses Kunststück ist aber wenig beeindruckend, weil es im Sechzehnten Jahrhundert schon recht fähige Portraitmaler gegeben hat. Zum anderen ist Maria die einzige Rothaarige in der Gruppe. Und die Haarfarbe hätte Henry ja wohl selbst auf einem weniger gelungen Portrait ersehen können.
Auch wenn ein frischgebackener Ehemann sich in der Hochzeitsnacht lieber mit einem Mann als mit der eigenen Ehefrau vergnügt oder eine großangelegte Verschwörung gegen die Königin in weniger als neunzig Sekunden geplant und durchgeführt wird, muss man sich als Zuseher wundern. Nebenfiguren kommen und gehen, ändern von einer Szene zur anderen ihr Verhalten und wenn es an einer Stelle heißt „Bothwell ist entkommen“ wäre es natürlich hilfreich gewesen, wenn uns dieser Name vor der Szene schon etwas gesagt hätte.
Denn ein gebrechlich Wesen ist das Weib
Saoirse Ronan hat zuletzt in „Lady Bird“ gezeigt, was sie als Schauspielerin leisten kann. Hier liegt es wohl hauptsächlich am Drehbuch, wenn uns ihre Darstellung der Maria Stuart kaum berührt. Bereits in einer frühen Szene wirkt ihr Handeln unreif, wenn sie bereits während der ersten Sitzung ihres Kronrats einen Gegner provoziert. In mehr als einer Szene wirkt ihre Figur eher zickig als entschlossen. Der Unterschied zwischen einer guten und einer hervorragenden Schauspielerin besteht wohl auch darin, über ein schwaches Drehbuch hinaus spielen zu können.
Margot Robbie („I, Tonya“) zeigt als Elisabeth, was für eine hervorragende Schauspielerin sie ist. Mutig ließ sie sich von der Makeup-Abteilung eine falsche Nase verpassen, die ihrer Figur – im doppelten Sinne des Wortes – noch mehr Profil verleiht. Entschlossen blickt sie Verbündeten und Feinden in die Augen und zeigt majestätische Stärke aber auch die Empfindsamkeit einer Frau, die weiß wie viel schwerer man es ihr in dieser Zeit wegen ihres Geschlechts machen darf. Das alles transportiert Robbie über ihre Haltung und über die Mimik auf einem Gesicht, das im Laufe des Films reift und altert.
Den Höhepunkt des Films bildet dann das Aufeinandertreffen der beiden Frauen. Im Kampf der beiden Königinnen blieb natürlich Elisabeth überlegen. Im Vergleich der beiden Darstellerinnen bleibt Margot Robbie siegreich.
Fazit
Ein mittelmäßiges Drehbuch und eine schwache Regie vermitteln uns nichts Neues über die schottische Königin Maria Stuart. Einzig Margot Robbies Darstellung ihrer Rivalin Elisabeth I. ist sehenswert.
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